Leicht, galant und wirkungsvoll
22. März 2024Verdacht eines versuchten Tötungsdeliktes
23. März 2024Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Der Ton in der Gesellschaft wird rauer, das Klima kühler. Da wir hier beim Tagblatt unseren Job auch schon „ein paar Tage machen“, können wir auch sehr deutlich für unsere Branche einen Unterschied feststellen. Gab es früher mal Kritik, wenn man den Vor- oder Nachnamen von jemandem falsch geschrieben hatte, so vergehen heute kaum Tage, an denen nicht aus allen Lagern „geschossen“ wird. Im Gespräch mit Verlagskollegen hörten wir kürzlich folgende Geschichte: Zu einem Termin vor Ort wurde eine Praktikantin zum Schreiben geschickt. Sie stellte sich vor und antwortete auf die Frage nach ihrem Status mit „Praktikantin“. Reaktion der Gegenseite: „Aha, ich dachte, wir wären der Zeitung mehr wert.“ Offenbar ist vielen Veranstaltenden nicht klar, dass es sich bereits um eine nicht unerhebliche Wertschätzung der Zeitungen handelt, wenn ein Mitglied der Redaktion – egal, wer – zu einem Termin erscheint. Eine Reaktion der Organisatoren, wir man sie sich als Zeitung wünschen würde wäre: „Herzlich willkommen, wenn Sie Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.“ Aber nein, aus der Tatsache, dass „nur“ eine Praktikantin geschickt wurde, wurde eine Abwertung abgeleitet.
Leider versteht sich jeder Veranstalter immer stärker als der Nabel der Welt, um den alles kreist oder kreisen soll. Aber nicht jede Initiative, Ausstellung oder Veranstaltung ist so wichtig und interessant, dass sie in der Zeitung stehen müsste – ganz abgesehen davon, dass man bei der Zahl der Termine, zu denen man eingeladen wird personell völlig scheitern würde – gerade auch eine so kleine Zeitung wie das Tagblatt, welches ausschließlich mit freien Mitarbeitern arbeitet und keine feste Redaktion hat. In allen Fällen bieten wir einen Kompromiss an: Wenn wir selbst nicht kommen und berichten können, können uns die Organisatoren gerne Text und Fotos zuschicken, die wir dann in die entsprechende Form bringen und veröffentlichen. Das ist immer noch Arbeit genug. Seit der elektronischen Postübermittlung, genannt E-Mails, und der Digitalfotografie, die buchstäblich jeden in die Lage versetzt, uns entsprechendes Material zuzusenden, gibt es immer mehr Veröffentlichungswünsche. Und während sich die Menschen früher darauf verlassen haben, dass sie in der Zeitung über alles Relevante informiert werden und die Redaktion entsprechend ihres Auftrags die Inhalte für sie auswählt, scheint es heute immer mehr Leute zu geben, die sich und ihre Anliegen vor allem selbst in der Zeitung sehen wollen und meinen, sie als eine Art Sprachrohr verwenden zu können.
Das aber alles entscheidende Argument dafür, dass wir uns ganz genau anschauen, wofür wir Zeit und Kraft einsetzen, sind nämlich Sie, liebe Leserinnen und Leser, Sie, die jeden Monat für unsere Zeitung bezahlen und erwarten, dass wir Ihnen das Wichtigste und Relevanteste aus der Heimat interessant, verständlich und manchmal unterhaltsam aufarbeiten. Wenn der Veranstalter X von seiner Veranstaltung Y seinen Bericht in der Zeitung untergebracht hat und sich darüber freut, heißt das noch lange nicht, dass das viele Leute interessiert, dass viele Leserinnen und Leser daraus einen Nutzen ziehen und darin bestätigt werden, dass wir unseren Job richtig machen. Weniger ist bekanntlich mehr – und auch, wenn man über Relevanz sehr subjektiv diskutieren kann, werden wir letztlich von Ihnen dafür bezahlt, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen. Und dazu gehört nun mal, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.
Das Tagblatt-Team wünscht Ihnen ein schönes Wochenende!