115 Jahre Tagblatt: Wechselvolle Aufbauarbeit
22. Januar 2020115 Jahre Tagblatt: Attentat von Sarajewo und Erster Weltkrieg
25. Januar 2020115 Jahre Tagblatt: Die Titanic – Auf der Jungfernfahrt gesunken
Zeitung machen kann man nur in einem Kreis von Halbverrückten. Gerd Buderius, deutscher Verleger und Publizist
Das Jahr 1912 war nicht nur geprägt von den Vorbereitungen des Umzugs des Verlages und der Druckerei im September in die Eisenbahnstraße 70, sondern bereits im April geschah ein Ereignis, das auch im „Schifferstadter Anzeiger” einige Tage die Spalten füllen sollte. Die „Titanic”, der Ozeanriese, als unsinkbar eingestuft, kollidierte bei seiner Jungfernfahrt mit einem Eisberg und ging unter.
Der Nachrichtenfluss ließ zu der damaligen Zeit allerdings zu wünschen übrig. Der „Anzeiger”, der dienstags, donnerstags und samstags erschien, brachte donnerstags auf der zweiten Seite eine 30-zeilige Meldung vom Untergang, der gegen 2.20 Uhr am Montag erfolgt war. Samstags gab es dann neben einem größeren Bericht mit entsprechenden Zwischenüberschriften eine detailliertere Aufarbeitung und auch eine Zeichnung der „Titanic”.
Die Verwendung von Halbtonbildern in Zeitungen war 1912 noch nicht sehr verbreitet, das weltweit erste Zeitungsfoto druckte die amerikanische Zeitung „Daily Graphic“ 1873. Der Deutsche Georg Meisenbach verbesserte die Autotypie, ein recht aufwendiges Verfahren, das ein Bild in kleine Quadrate zerlegte und das dann geätzt wurde.
Viele Verleger verzichteten zu dieser Zeit jedoch darauf und beließen es bei den nach Zeichnungen angefertigten Holz- oder Kupferstichen. Da konnten die Zeichner ihrer Phantasie freien Lauf lassen, Spannung in den Bildern erzeugen, während viele Verleger die „natürliche” Fotografie als zu langweilig empfanden. In Leipzig, in der „Illustrirte Zeitung” erschien 1883 in Deutschland das erste Foto nach dem Verfahren Meisenbachs.
Die „Titanic” gehört durch die Ursachen des Untergangs und der vielen Toten bei ihrer Jungfernfahrt zu den bekanntesten Schiffen der Geschichte. Dieses Unglück war auch dafür verantwortlich, dass man im Nachgang über Verbesserungen nachdachte. Bereits 1913 wurde auf einer Konferenz über einen Mindeststandard an Sicherheitsvorkehrungen beraten. Schriftsteller, Kulturschaffende bei Film und Fernsehen beschäftigen sich noch heute mit dem Ozeanriesen.
Der „Anzeiger” schrieb zur Abbildung des Eisberges am 23. April:
Zum Untergang der „Titanic“
Ein im Ozean schwimmender Eisberg
Ein gewaltiger Eisberg wie der jenige, den unsre Abbildung darstellt, hat den Untergang des englischen Riesendampfers „Titanic“ herbeiführt. Die Schifffahrtslinien von Europa nach Nordamerika durch den nördlichen Teil des Ozeans sind oft vom Eise bedroht. Die Gletschermassen, die aus dem Innern Grönlands der Küste zuströmen, brechen am Uferrand infolge ihres Gewichts ab, und so stürzen oft viele hundert Meter lange und hohe Eisberge ins Meer. Gewöhnlich ragt nur der neunte Teil des Eisberges aus dem Wasser empor. Bei nebligem Wetter – und infolge der starken Temperaturerniedrigung herrscht in der Nähe von Eisbergen sehr oft Nebel – kommt es ziemlich oft vor, dass ein Schiff mit einem Eisberg zusammenstößt. Infolge des fortwährenden Abschmelzens verändern die Eisberge leicht ihren Schwerpunkt, so dass sie beim leisesten Anstoß umschlagen und das Schiff völlig zerschmettern.