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1. März 2020In eigener Sache
14. März 2020115 Jahre Tagblatt – Das große Dorf feiert Rettichfest und wird Stadt
Das Jahr 1950 hatte noch einige Höhepunkte in Schifferstadt parat. Am Montag, 15. Mai 1950 berichtete das „Tagblatt” vom Ball der Rettich-Mädle im Festsaal „Zum Ochsen“, bei dem mit überwiegender Mehrheit (103 Stimmen) Irmgard Fichtenmayer aus der Bleichstraße zur „Rettichkönigin 1950“ gewählt wurde. Ihre Begleiterinnen waren Maria Mayer, Käthe Schuster, Irmgard Kuhn und Elisabeth Sturm. Im großen Festzelt auf dem Marktplatz begrüßte Bürgermeister Adam Teutsch die Besucher, die dem aus der Taufe gehobenen Rettich-Lied sowie dem 200 Sänger starken gemeinsamen Chor aus den Schifferstadter Gesangvereinen lauschen konnten.
Erstmals nach dem Krieg fand auch ein Rettichfest-Umzug mit beachtlichen 58 Zugnummern statt, der von der Hofstückstraße, Altenhofstraße, Burgstraße, Speyerer Straße über Hauptstraße, Waldseer Straße, Friedhofstraße bis zur Mannheimer Straße führte. Es wurde ein großes, beeindruckendes Fest, das an Pfingstmontag einen Besucherrekord zu verzeichnen hatte. „Das Schifferstadter Rettichfest übertraf alle Erwartungen“, schrieb das „Tagblatt”. „Bis Montagabend zählte man etwa 25.000 Besucher, eine Zahl also, die das Wiederaufleben des Rettichfestes am besten dokumentiert – ein Beweis, dass die viele Wochen vorher einsetzende Werbeaktion und Propagierung des Rettichfestes von Erfolg gekrönt war“, hieß es in dem Bericht von Eckart Wilhelm Wilbertz.
Ein weiterer Höhepunkt folgte bald im Oktober nach, denn Schifferstadt sollte zur Stadt erklärt werden. Im Vorfeld gab es einige Differenzen, so dass Bürgermeister Teutsch einiges klarstellen musste. „Und nun sei noch auf einige Gerüchte eingegangen, die im Dorf kursieren und leider Leichtgläubige finden“, hieß es im Artikel am 15. September 1950 nach den einleitenden organisatorischen Infos.
„Zunächst muss herausgestellt werden, dass mit der Stadterklärung weder für die Gemeinde noch für die Bürger irgendeine finanzielle Mehrbelastung verbunden ist. … Nicht minder unrichtig ist das Gerede von einer Erhöhung der Gehälter der Gemeindebeamten und -Angestellten. … Alle z. Zt. im Gemeinderat vertretenen Fraktionen haben ausdrücklich erklärt, dass sie ihr Amt als Ehrenamt betrachten und nicht daran dächten, sich selbst eine Aufwandsentschädigung zu bewilligen. … Die Frage, ob eine Müllabfuhr eingeführt werden soll, hat mit der Stadterhebung nichts zu tun. Solange eine Müllabfuhr nicht vom größeren Teil der Bevölkerung gewünscht wird und solange andererseits die Bevölkerung ihren Müll immer an die Müllablageplätze bringt und die Straßen sauber hält, besteht keine Veranlassung, diesem Problem näherzutreten.“
„Schifferstadt – heute noch größtes Dorf – morgen schon Stadt“ hieß es auf der Titelseite des „Tagblatt” am 30. September, einen Tag vor der Überreichung der Urkunde durch Ministerpräsident Peter Altmeier im Festsaal „Zum Ochsen“, dessen Haupteingang für die Ehrengäste reserviert war, die Schifferstadter Bürger mussten über den Hof in den Saal. Die Schuljugend stand zu beiden Seiten der Kirchenstraße Spalier, öffentliche Gebäude und viele Häuser waren mit Bundesfahnen und Blumen festlich geschmückt. Das Symphonie-Orchester Speyer unter Leitung von Kapellmeister Ziegler spielte auf und Ministerpräsident Altmeier hielt die Festrede, wobei er bei seinen Ausführungen „etwas ins Hochpolitische“ abglitt, wie das „Tagblatt” am 2. Oktober schrieb. „Ein historischer Augenblick in der Geschichte Schifferstadts“ lautete die Schlagzeile auf der Titelseite.
Am 6. Januar 1951 veröffentlichte das „Tagblatt” einen kurzen Hinweis, dass mittwochs, 10. Januar, der erste Wochenmarkt auf dem Marktplatz stattfinden werde. Nach einem Stadtratsbeschluss sollte er an zwei Wochentagen (auch samstags) abgehalten werden. „In jeder Minute wechselten vier Eier ihren Besitzer” hieß es einen Tag später im „Tagblatt”. Zwei Jahre später gab es jedoch nur noch drei Stände, so dass der Betrieb eingestellt wurde, ehe 1992 auf dem Parkplatz an der Herz-Jesu-Kirche und probeweise auch im Adlerhof ein Neuanfang gewagt wurde. Ein Jahr nach der Eröffnung war die Resonanz so gering, dass der Markt wieder eingestellt wurde. Am 10. Oktober 2003 startete der dritte Markt-Versuch nach zehnjähriger Pause auf dem umgestalteten Schillerplatz mit zehn Beschickern und elf Ständen recht erfolgreich.